Henrard & Discry, Modell VICI
Vorbemerkung: Informationen zur Pistole VICI von Henrard & Discry sind spärlich gesäht. Auf der Internetseite www.littlegun.be, die sich im Wesentlichen mit belgischen Taschenwaffen befasst, sowie auf der Seite vestpockets.bauli.at finden einige wenige Daten und Hintergründe. Dieser Artikel fasst das bisher Bekannte zusammen, ergänzt um Details aus dem belgischen Patent 290562 und dem vorliegenden Realstück einer VICI-Pistole.
Hintergrund zu Henrard & Discy
Jean Henrard hatte bereits vor dem Ersten Weltkrieg ein Unternehmen in Herstal betrieben. 1913 reichte Henrard Patente für eine Selbstladepistole ein (Nr. 253071 und 261794). Nach dem Krieg firmierte er ab 1920 zusammen mit Alphonse Discry unter dem Namen Henrard & Discry und war als Hersteller beim Beschussamt in Lüttich registriert. Basis für diese Zusammenarbeit war wohl ein neues Patent zu einer Selbstladepistole (Nr. 290562) vom 17. August 1920. Henrard registrierte hierzu am 22. November 1920 die Handelsmarke "VICI", lateinisch für "ich siegte" oder "ich verscheuchte" - ein für eine Taschenpistole recht treffender Name.
Technik
Bei der VICI handelt es sich um eine Selbstladepistole mit Masse-Verschluss und Schlagbolzenschloss im Kaliber 6,35 mm Browning. Die Pistole besteht nur aus wenigen Baugruppen: Griffstück, Lauf, Verschlussträger mit Verschlussstück, Verschlussfeder mit Führungsstange und Magazin.
Augenfällig ist ein großer Demontagehebel an der Vorderseite des Abzugsbügels. Die Achse des Demontagehebels ist halbmondförmig ausgebildet und greift in eine korrespondierende Aussparung des Laufs ein. Schwenkt man den Hebel nach vorne, wird der Lauf freigegeben und kann nach vorne entnommen werden. Der Verschlussträger ist vorne durch eine T-förmige Nase am Griffstück gehalten. Hinten wird das Verschlussstück in einer Bohrung des Griffstücks geführt.
Der Schlagbolzenkanal ist nach unten offen und nach hinten durch einen verstifteten Einsatz geschlossen.
Der Lauf sperrt mit seinem verdickten Ende vorne die T-förmige Nut des Verschlussträgers. Ist der Lauf entfernt, so lässt sich der Verschlussträger nach vorne abziehen und nach oben aus dem Griffstück nehmen. Die Verschlussfeder mit der Führungsstange greift in eine Bohrung des Verschlussträgers oberhalb des Verschlussstücks ein. Am Griffstück hinten stützt sich die Führungsstange an einem korrespondierenden Widerlager ab. Die Abzugsstange verläuft auf der rechten Seite und verbindet Abzugs und Abzugsstollen. Hinten links am Griffstück sitzt eine Hebelsicherung , die unmittelbar auf den Abzugsstollen wirkt. Der geriffelte Magazinhalter sitzt an der Unterseite des Griffstücks.
Die Griffschalen aus Kunststoff sind mit jeweils zwei Schrauben oben und unten befestigt . Sie zeigen das Handelszeichen VICI im Oval. Das Magazin fasst sechs Patronen und hat beiderseits fünf Sichtlöcher zur Ladestandkontrolle.
Auf der linken Seite steht:
PISTOLET AUTOMATIQUE BREVETE
HERSTAL (LIEGE) BELGIQUE
sowie das Warenzeichen VICI im Oval.
Zu den Produktionszahlen ist wenig bekannt. Schätzungen belaufen sich auf bis zu 10.000 Pistolen.
Fazit
Für die 1920er Jahre ist die VICI eigentlich etwas aus der Mode gekommen. Sie nimmt das typische Design belgischer Taschenpistolen der Vorkriegsjahre auf, kann sich aber wohl gegen die moderne Konkurrenz der immer kleiner werdenden Taschenpistolen kaum mehr behaupten. Man muss hierzu immer im Hinterkopf behalten, dass diese Pistole mit dem Walther Modell 9 oder der Haenel Schmeisser Modell 1 konkurrierte. Der zur Reinigung leicht entnehmbare Lauf ist sicherlich ein hilfreiches Feature, das parallel bspw. auch Fritz Mann (deutlich besser gelöst) aufgriff.
Technische Daten
Firmenzeichen VICI
Patentzeichnung belg. Patent Nr. 290562, abgerufen unter www.littlegun.be am 15. Dezember 2024
Länge | Lauflänge | Höhe | Breite | Gewicht | Magazinkapazität | |
VICI | 117 mm | 54 mm | 89 mm | 22 mm | 400 g | 6 |
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